Speaker Series: Colonial Presents

Ist es möglich, das Museum, ein koloniales Wissensunternehmen per excellence, zu dekolonisieren? Können künstlerische und kuratorische Praktiken mögliche Wege bieten, um solche Prozesse in Gang zu setzen, oder stabilisieren sie moderne/koloniale Rahmenbedingungen? Wie können wir uns positionieren und uns als Künstler*innen nicht nur mit Diskursen der Dekolonisierung, sondern auch mit kolonialen Museumssammlungen auseinandersetzen? Wie gehen wir mit der Verkörperung kolonialer Normativität, in einem ethnografischen Museum im Humboldt Forum (einer Rekonstruktion eines kaiserlichen Palastes im 21. Jahrhundert), um? In der „Speakers Series: Colonial Presents“ haben Studierende die Möglichkeit, sich mit Forschenden, Künstler*innen und Kurator*innen auszutauschen, die sich diesen Fragen aus ihren unterschiedlichen Bereichen und Perspektiven nähern.

Über ‚Leerstellen.Ausstellen‘

31.10.22 mit Maike Schimanowski (Kuratorin, Humboldt Forum) Jocelyne Stahl (Wissenschaftliche Assistenz Bildung und Vermittlung, Humboldt Forum) und Josefine Apraku (Dozentin, Autorin, Kritische Begleitung von „Leerstellen.Ausstellen“) 

Das Team von „Leerstellen.Ausstellen“ spricht über ihr Konzept und ihren Prozess und beantwortet Fragen und Anliegen der Studierenden. Mit Maike Schimanowski (Kuratorin Humboldt Forum), Jocelyne Stahl (Wissenschaftliche Assistenz Bildung und Vermittlung Humboldt Forum) und Josefine Apraku (Dozentin, Autorin, Kritische Begleiterin von „Leerstellen.Ausstellen“).
Die Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin umfasst rund 10.000 Objekte, die dem Gebiet des heutigen Tansania zuzuordnen sind. Die meisten Objekte wurden - oft gewaltsam - während der deutschen Kolonialherrschaft erworben. Die Workshop-Ausstellung „Leerstellen.Ausstellen. Objekte aus Tansania und das Kolonialarchiv“ hinterfragt, erinnert und überdenkt die Objekte des Museums und ihre Geschichten. Die problematische koloniale und rassistische Vergangenheit wird in mehreren Abschnitten thematisiert. So umfasst die Ausstellung vier Vitrinen, in denen Originalobjekte aus der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ durch „Ersatzobjekte“ u. a. von zeitgenössischen Künstler*innen ersetzt werden. Die Ausstellung ist eine kritische Reflexion des Berliner Kurator*innenteams über sensible Objekte aus Tansania.

Über ‚Sequestrierte Wesen und Eigentum‘ – ein Rundgang

7.11.22 mit Fogha McCornilius Refem

Fogha McCornilius Refem führt die Gruppe durch die sogenannten „Kamerun“-Räume im Humboldt Forum und reflektiert dabei über die Vermischung von Dekolonialität und Museen.
Fogha McCornilius Refem ist ein selbsternannter „Drapetomanie-Patient“, der nicht geheilt werden will. Er ist ein interdisziplinärer Künstler und akademischer Nomade mit einem Hintergrund in Soziologie, internationalen Beziehungen und sozialer Arbeit und setzt seine Reise als Doktorand im GRK-Kosmopolitismus-Programm an der Universität Potsdam fort. Er ist ein HIA Senior Fellow des Programms 2021. Seine Forschungsinteressen umfassen dekoloniales Denken, subalterne Studien, schwarzes Empowerment und kritische Museumsstudien.

Über ‚Kolonialismus und Kolonialität‘ in der Stadt

14.11. 22 mit Dr. Ibou Coulibaly Diop

Dr. Ibou Coulibaly Diop befasst sich mit den Ambivalenzen der Auseinandersetzung mit Dekolonialität in institutionellen Räumen, einschließlich Museen, und mit der Rolle unabhängiger Akteur*innen bei der Förderung antikolonialer Positionen in der Stadt.
Dr. Ibou Coulibaly Diop ist Literaturwissenschaftler und Kurator. Er arbeitet derzeit an einem Erinnerungskonzept für ein stadtweites Gedenken an den (Anti-)Kolonialismus für den Berliner Senat und leitet gemeinsam mit Lorraine Bluche die Kompetenzstelle DeKolonisierung bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der global(isierten) Dimension von Michel Houellebecqs Literatur und der Frage nach der Globalisierung und Universalisierung von Literatur im Allgemeinen. In seiner Arbeit interessiert er sich für die Frage, wie wir trotz unserer Unterschiede zusammenwachsen können und welche Ansätze sich dazu in der Literatur finden lassen. Er lebt in Berlin.

Über ‚Generationenheilung durch Theater‘

28.11.22 mit Nicole Angela Pearson

In diesem Workshop lädt Nicole Pearson zu einer kollaborativen, verkörperten Diskussion über ihr neuestes Stück „Hand, Brust, Herz“ ein. Das Stück folgt der Reise einer jungen schwarzen Frau vom familiären Schmerz zur gemeinschaftlichen Heilung. Die Menschen und Orte, denen sie begegnet, öffnen ihr den Blick für die ganze Bandbreite des menschlichen Leidens. Das kollektive Erleben dieses Leidens führt zu mehr Verständnis und Verbundenheit, was wiederum zu Heilung und schließlich zu Freude führt. 
n diesem Bewegungsworkshop werden wir unsere Körper und das, was wir alle geerbt haben, erforschen; wie es sich auf uns auswirkt und einige Ideen, was wir damit tun können. 
Nicole Angela Pearson ist Theaterkünstlerin, Aktivistin und Autorin. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Einsatz von Theater als Mittel zur Ermächtigung, um marginalisierten Gemeinschaften, insbesondere einkommensschwachen, benachteiligten und LGBTQIA+-Jugendlichen, zu helfen, ihre eigene Kraft zu entdecken.

Über das ‚Sprechen mit gefangenen Wesen und Ahnen‘

5.12.22 mit Pêdra Costa

Die Künstlerin Pêdra Costa führt die Gruppe durch eine spirituelle Begegnung mit den Wesen in Vitrinen. Mit der Unterstützung des Tänzers und Choreographen Eduardo Alves Guimarães arbeitet die Gruppe performativ im ethnologischen Museum.
Pêdra Costa (they/she) ist eine bahnbrechende, prägende brasilianische, visuelle und urbane Anthropologin, Performerin und Tarot-Leserin mit Sitz in Berlin, die die Intimität nutzt, um sich mit der Kollektivität zu verbinden. Sie arbeiten mit ihrem Körper, um fragmentierte Epistemologien von queeren Gemeinschaften innerhalb des fortbestehenden kolonialen Erbes zu schaffen. Ihre Arbeit zielt darauf ab, Gewalt zu entschlüsseln und Scheitern zu transformieren, während sie die Kräfte eines belastbaren Wissens aus einer Vielzahl subversiver Ahnen und Spiritualitäten anzapfen, die ein wesentlicher Bestandteil des antikolonialen und nekropolitischen Überlebens waren. Pêdra Costa ist Teil der akademischen Forschungsgruppe Pedagogy of Performance: scene visualities and critical body technologies in Brasilien, die von Prof. Dr. Dodi Leal an der Federal University of Southern Bahia koordiniert wird.

Über ‚Museen, Zoos, Archive und fiktionale Zukünfte‘

6.2.23 mit Luisa Ungar

Im Laufe der Jahre hat die bildende Künstlerin Luisa Ungar ein spezifisches System entwickelt, in dem sie "Hinweisen als Orientierungszeichen, als Symptomen eines bestimmten Unwohlseins in einem bestimmten sozialen Raum“ folgt, um Normativitäten zu hinterfragen und spekulative Zukünfte zu schaffen. Ungar teilt ihre künstlerischen Strategien, um aus scheinbar stabilen kolonialer Erzählungen Neues zu schaffen.
Luisa Ungar ist eine kolumbianische Künstlerin, die mit Sprache als Instrument der Dislokation experimentiert. Mit Hilfe von Performance, Installation, Zeichnung und Text sucht sie nach Wegen, wie soziale Normen durch unser tägliches Sprechen konstruiert und institutionalisiert werden. Ihre Arbeiten folgen Erzählungen, die sich mit Animalität, Extraktivismus und dem Nicht-Menschlichen in kolonialen Kreisläufen befassen.  Ihre Arbeiten wurden unter anderem auf der Mercosul Biennale in Porto Alegre, im Ca2M in Madrid, im Bonnefantenmuseum in Maastricht, im Museo de Arte Banco de la República in Bogotá, in der Tensta Konsthall in Stockholm, auf der Bienal Sur in Argentinien, bei Ar/Ge Kunst in Bozen, im Rijksmuseum in Amsterdam, im M KHA Museum in Antwerpen und im Lugar A Dudas in Cali gezeigt. Sie war Mitherausgeberin von Publikationsprojekten wie DISDISDIS (On Vampires and Other Forms of Conviviality) und Proyecto Asterisco. 2019 kuratierte Ungar Slanderous Languages, ein kombiniertes Programm aus Performance und Pädagogik für die Colombian Biennale: 45 Salón Nacional de Artistas. Im Jahr 2021 wurde sie beauftragt, neue Arbeiten beim Festival der Regionen (Österreich) und der Liverpool Biennale (UK) zu präsentieren.

Fachgebiet

Theorie und Geschichte

Zeitraum

WiSe 2022/2023

Format

Speaker Series

Ort

hybrid, Mart-Stam-Raum weißensee kunsthochschule berlin, Leerstellen.Ausstellen. Humboldt Forum

Leitung

Juana Awad

Mitwirkende

Eduardo Alves Guimarães, Josefine Apraku, Pêdra Costa, Ibou Diop, Fogha Mc Cornilius Refem, Nicole Pearson, Maike Schimanowski, Jocelyne Stahl, Luisa Ungar

Zugehörige Artikel

  • Kunstpräsentation als politische Arena
  • Colonial Presents
  • Text

    Juana Awad